PROJEKTTITEL: «Selbstdarstellung und Selbstidentifikation der Russlanddeutschen als Integrationsmerkmal im Wechsel von Orten und Kulturen: Das Leben in der (E)Migration oder die Entstehung einer neuen Kultur»
STIFTUNG: FSO "Russische humanitäre wissenschaftliche Stiftung“ № 15-04-00011а (s. unter)
HAUPTANSPRECHPARTNER: Elabuger Institut Kazaner Föderalen Universität (EI KFU):
WEITERE PROJEKTPARTNER/PROJEKTLEITER:
PROJEKTLAUFZEIT: 2015-2017
PROJEKTLEITERIN: Prof. Dr. hab. Danija Salimova
PROJEKTBESCHREIBUNG.
1. Ausführliche Darstellung des Zieles des Forschungsprojekts
Erforscht im Projekt wird die Art und das Charakter der Zusammensetzung der eigenen (internationalen in ihren Ursprüngen) Kultur der Russlanddeutschen, bestehend aus den verschiedenen s.g. Gastgeberkulturen und der Heimatkultur (die sich aus dem kulturellen Austausch sowie der sprachlichen Situation ergibt, getragen durch ein dichtes kommunikatives Netzwerk, das sowie nach innen als auch nach außen gerichtet ist (gem. Rosenberg 2003)) und entstanden nach zeitlich begrenzten Anpassungen oder zeitlich unbegrenzter Integration in die russisch-, kasachisch-, ukrainisch- usw. -sprachige und kulturelle Umgebung. Die Fragestellung des Projektes ist: 1. Wie (nach welchen Kriterien) erfolgt die Selbstbestimmung/-wahrnehmung und Selbstdefinition von Russlanddeutschen ab der 2. Generation nach der(n) Umsiedlung(en) (nach Russland (XIX. und XXI Jh.), innerhalb der UdSSR (XX Jh.) und aus Russland nach Deutschland (XX Jh.)) Wie sind diese mit der Selbstdarstellung der Russlanddeutschen ab der 2. Generation nach der Umsiedlung verbunden? Wie wirken diese auf die Erziehung- und Bildung weiterer Generationen (die sich als s.g. Einheimische, Migranten oder mit Migrationshintergrund betrachten) und tragen hiermit zu deren Integration/ Assimilation bei? In wie weit ist die Gesellschaft des empfangenden Landes bei der Entstehung der neuen Kultur(variationen) positiv bzw. negativ beteiligt? Daraus schlussfolgernd möchten wir die Frage nach dem Entstehen einer neuen Kultur der Russlanddeutschen als Übergangs- (Übergangsmoratorium nach Zinnecker, 1991) oder nachhaltige Erscheinung stellen. Die Voraussetzung der Fragestellung ist, dass Bilingualität und Bikulturalität eine besondere Wertschätzung erfahren und nicht nur als s.g. Sprachinsel in der Mehrheitsgesellschaft betrachtet werden sollten, die einem starken Eingliederungsdruck auszusetzen sei. Die Mehrsprachigkeit und die Varietätenbildung innerhalb einer Sprache gelten vielmehr als besonderer Wert, der angesichts des Schwunds deutscher Varietäten in der Welt besonders zu pflegen ist. 2. Als Endziel des Projektes sehen wir das Erstellen der methodischen und didaktischen Materialen zur Förderung der deutsch-russischen Mehrsprachigkeit (2L1 und L2) und interkulturellen Kompetenz in den kommenden Generationen, - anhand der Ergebnissen der vergleichenden systematischen Analyse von Nachlässen und der Interview von den Russlanddeutschen in Russland und Kasachstan im 19.-20. Jh. und in BRD im 20.-21. Jh. Mit dem im Punkt 1 benannten Schwerpunkten (durchgeführt im Rahmen dieses Projektes).
Obwohl die Geschichte der Deutschen in Russland und der Russischsprechenden in den heutigen deutschen Gebieten bis ins XIII Jh. zurückreicht, spricht man von der eigentlichen "Auswanderung“ gen Osten erst für die Zeit nach dem 22. Juli 1763, als Katharina II. versuchte ihre Landsleute mit einem Manifest in ihre neue Heimat zu führen. Verschiedenen Quellen zufolge kamen diesem Aufruf bis 1767 zw. 25.000 und 35.000 Deutsche nach. Die weiteren historischen Ereignisse sind bekannt. Im Folgenden werden deshalb nur die Daten aufgelistet, welche wir als Grundlage des Antrages betrachten:
Die Erfolgsquote bei der Sozialisierung von den Aussiedlern und deren Kindern ist von diesem Ansehen sehr beeinträchtigt. Kinder werden von den Eltern als "potenziell sehr erfolgreich“ zu Bildungs-, Fortbildungs-, Weiterbildungs-, zusätzlichen Bildungsprogrammen in beiden Sprachen geschickt (hier wird Lernen als Zwang, auch innerlich von den Heranwachsenden selbst erfahren- erfolgreich sein ist der einzige erlaubte "Spaß“; nach russischem Vorbild, "Bildungsmoratorium“ gem. H. Reinders) oder dem Schicksal überlassen (keine Zusatzförderung, erzwungene "Zufriedenheit“ mit der Situation; "Freizeitmoratorium“ gem. H. Reinders).
Die Fragestellung des Projektes ist:
Erforscht wird die Art der Zusammensetzung dieser eigenen Kultur bestehend aus den verschiedenen "Gastgeberkulturen“ und der "Heimatkultur“ (die sich aus dem kulturellen Austausch sowie der sprachlichen Situation ergibt, getragen durch ein dichtes kommunikatives Netzwerk (gem. Milroy 1980 und Gumperz 1968), das eher nach innen als nach außen gerichtet ist (gem. Rosenberg 2003)) und nach zeitlich begrenzten Anpassungen oder zeitlich unbegrenzter Integration in die russisch-, kasachisch-, ukrainisch- usw. -sprachige Umgebung.
Somit folgt die Untersuchung folgenden allgemeinen und speziellen Leitfragen:
Für das Projekt möchten wir eine Probantengruppe von Russlanddeutschen ab der 2. Generation untersuchen. Da die Wechselwirkungen der Kulturen v.a. in der Sprache sichtbar wären, gilt unsere besondere Aufmerksamkeit erst der Untersuchung des code-switching bzw. code-mixing und Entlehnungs-Erscheinungen in der Schriftsprache (im historischen Kontext soll dies anhand von Briefwechseln der Russlanddeutschen in der 2. und weiteren Generationen innerhalb und außerhalb Russlands im XIX.-XXI. Jh.) und in der mündlichen Form untersucht werden. Dafür werden Interviews mit:
Ein besonderes Augenmerk wird auf extralinguistische, kulturelle Merkmale der Integration bzw. der Anpassung gelegt:
Von Interesse ist auch die Überprüfung der gängigen Klischees in der familiären Umgebung der Russlanddeutschen, was "typische Russen“ und "typische Deutsche“ betrifft. Unsere Beobachtungen auf diesem Gebiet führen z.Zt. zu folgenden Schlussfolgerungen: das Bild der Deutschen und Deutschlands in Russland/SU ist seit XIX. – Anfang XX. Jh. Gleich geblieben und sehr verallgemeinert(Ordentlichkeit, Genauigkeit der Deutschen; typisches Aussehen und Bekleidung der Generationen): Doch hat sich das Bild der Russen (einschließlich alle fälschlicherweise so bezeichneten russischsprachigen Nationen) im allgemeinen in den Augen der Deutschen verändert. Es wird heute mehr von politischen als von kulturellen (Literatur, Musik, bildende Kunst usw.) und persönlichen Ereignissen geprägt oder auch von Darstellungen der "Russen“ in den deutschen Medien statt von persönlichen Erfahrungen, die in der Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen aus Russland gemacht worden sind.