Aus der Zahl der wissenschaftlichen Arbeiten Golowkinsky's sind als besonders werthwoll die Arbeiten im Gebiet der permischen Ablagerungen des Wolga-Kamabassins und seine Untersuchungen iu der Krim hervorzuheben. In der letzten Zeit war er mit der Zusammenfassung der Resultate seiner vieljährigen Beobachtungen beschäftigt; ein beginnender Verfall seiner Kräfte erfüllte ihn mit der lebhaften Besorgniss seine begonnene Arbeit nicht vollenden und die Tektonik der Taurisclien Halbinsel nicht herausgeben zu können. Es ist tief zu beklagen, das diese Befürchtungen sich ubewahrheiteten nnd das der Tod Golowkinsky inmitten dieser Arbeit ereilte, auf diese Weise die Erfüllung seines innigsten Wunsches, sein langjähriges Werk vollendet zu sehen, verhindernd.
Am neunten Iuni im J. 1897 verschied auf seinem Gute Kastel im 63-ten Lebensjahre der ehemalige Professor der Universität zu Kasan undvon Neurussland (Odessa)Nikolai Aleksejewitsch Golowkinsky. Der Lebensgang des verstorbenen gelehrten Geologen zeugt schon an und für sich von der eigenartigen Begabung und Originalität des Geistes dieses hervorragenden Mannes, dessen Schriften und Arbeiten denselben Stempel tragen.
N. A. Golowskinsky entstammt dem Adel des Kasanschen Gouvernements und trat, als Edelmann, in seinem 20-en Lebensjahre in den Militärdienst in ein Kavallerieregiment, gerade zur Zeit des Krimkrieges (1854 J.). Aus dieser Zeit datirt seine erste Bekanntscliaft mit Sewastopol und überhaupt mit der Krim, welcher er späterhin ein so lebhaftas Gefühl der Anhänglichkeit bewahrte und welcher er soviel Nutzen brachte, indem er seine besten Kräfte, seine Kenntnisse und hervorragenden Gaben in den Dienst der Erforschung dieses gesegneten Landstriches stellte.
Nach beendigtem Kriege, nahm N. A. Golowkinsky als Lieutenant seinen Abschied und trat, seiner Neigung zu ernsten wissenschaftlichen Studien, seiner Vorliebe zu den Naturwissenschaften folgend, in die Universität zu Kasan als freier Zuhörer. Im Laufe seiner Studienzeit an der Universität gelang es dem jungen ehemaligen Officier durch seinen scharfen Verstand und durch seinen Fleiss die Aufmerksamkeit seiner Lehrer auf sich zu lenken und so wurde er bei der Universität belassen und nach Jahresfrist, erhielt er, behufs Vorbereitung zur akademischen Lehrtätigkeit, eine Abcommandirung für zwei Jahre ins Ausland. Aus dem Auslande zurückgekehrt, wo er die Vorlesungen verschiedener hervoragender Gelehrten, unter anderen auch Bischofs, besucht und geologisch merkwürdige Localitäten in Augenschein genommen hatte, wurde Nikolai Alexejewitsch, vorläufig dem Ministerium der Volksaufklärung zugezählt, zum Privat-docenten berufen und, nach Erlangung im Jahre 1866 des Magistergrades, zum Docenten der Geologie erwählt. Seine Arbeiten: «Beschreibung geologischer Beobachtungen in den Gouvernements Kasan und Wjatka» und «Ueber die Permische Formation im centralen Theile des Kama-Wolga Bassins», die er in d. J. 1866 u. 1867 im Auftrage der Kaiserlichen Mineralogischen Gesellschaft ausgeführt hatte, u. die in den «Materialien zur Geologie Russlands» Bd. I. abgedruckt sind, - letztere (1868) diente als Doctordissertation - stellten den Namen des jungen Gelehrten in die Reihe der Namen der besten vaterländischen Forscher auf diesem Gebiete und begründeten seinen Ruf. Der Conseil der Universität Kasan wählte Golowkinsky,in gerechter Würdigung seiner wissenschaftlichen Verdienste und seiner glänzenden pädagogischenBegabung,noch im demselben Jahre zum ausserordentlichen Professor, um ihn bereits in dem darauffolgenden Jahre anf den Lehrstuhl der Geologie und Palaeontologie als ordentlichen Professor zu berufen.
Nur kurze Zeit war es jedoch N. A. Golowkinsky vergönnt seine Kräfte dem Dienste der Universität Kazan zu widmen. Infolge von, im Professorencollegium entstandener, Misshelligkeiten, beschloss er fest seine heimathliche Universität zu verlassen und nach Odessa überzusiedeln, dorthin einem vonseiten der Neurussischen Universität an ihn im November 1871 ergangenem Rufe anf den Lehrstuhl der Mineralogie Folge leistend. Das Lehrjahr 1872/73 verbrachte Golowkinsky im Auslande, vorzugsweise in Deutschland, wohin er zwecks speciellen Studiums rein mineralogischer Disciplinen abcommandirt war, da seine vorhergehende Thätigkeit sich hauptsächlich auf dem Gebiete der Geologie und Paläontologie bewegte. Das auch hier, in der Neurussischen Universität, die hervorragenden Eigenschaften Golowkinsky's bald gebührend von seinen Collegen gewürdigt wurden, erhellt schon daraus, das er im J. 1875 zumDecan der physico-mathematischenFacultät und 1877 zum Universitätsrector vom Conseil gewählt wurde.
Aber die administrative Thätigkeit, erschwert durch den in jener Zeit erregten Zustand undStimmuug der Gesellschaft, die heftigen Parteikämpfe au der Universität, mit einem Worte, die geringeren und grösseren Wiederwiirtigkeiten, welche durch die verantwortliche Stellung als Universitätshaupt bedingt waren, beeinflussten in sehr nachtheiliger Weise die Gesundheit Golowkinsky's und untergruben die kräftige Natur dieses gewissenhaften, empfänglichen Mannes, der - im besten Sinne des Wortes - als Idealist bezeichnet werden kann. Bis an seine letzten Tage gedachte er mit einer, ihm soust nicht eigenen, Bitterkeit gerade dieser Periode seiner Thätigkeit an der Neurussischen Universität und beklagte die dabei eingebüssten Kräfte. Daher gab er auch im J. 1881, nach Ablauf des Rectorat-Quadrienniura, die Stellung eines Rectors auf, und trat im J. 1886, nach Einführung des neuen Universitätsstatutes und nach Ausdienuug der Emeritur, in den Ruhestand, auf immer der akademischen Lehrtätigkeit entsagend.
Aber damit war die fruchtbringende Bethätigung N. A. Golowkinsky's zum Nutzen der Wissenschaft und der Gesellschaft durchaus nicht abgeschlossen. Gleich darauf erhielt er von der Taurischen Landschaft den Antrag das Amt eines Hydrogeologcn zu übernehmen, eines bei der Landschaftsverwaltung neu creirten Postens zum Zwecke einer erfolgreicheren Entwicklung des Bewässerungswesens, mit welchem das materielle Gedeihen dies Landes eng verknüpft ist.
Diese Aufgabe erfüllte der Verewigte mit bestem Erfolge und fast jugendlichem Eifer bis an sein Lebensende und es wäre schwer zu entscheiden, ob er als akademischer Lehrer, oder, während seines zweiten Lebensabschnittes, im Dienste der Landschaft, mithin des ganzen Landes, erfolgreicher sich bethätigt hat.
Um sich dieser Sache ganz hingeben zu können und seine bereits begonnene geologische Erforschung der Krim fortzusetzen, verliess Golowkinsky Odessa und siedelte auf sein Gut Kastel über, wo sich allmälig ein intelligenter Kreis vorzugsweise von Professoren formirte, die Natur dieses prächtigen Landstrichs gleich hochschätzend und z. Th. gemeinsam an dessen Gedeihen arbeitend. Diese Ortschaft ist in der Krim unter dem Namen «Professorenheim» allgemein bekannt. Golowkinsky's gastfreies Haus wurde bald zum Mittelpunkt und zur Heimstätte aller derjenigen, welche die Krim zu wissenschaftlichen Zwecken besuchten. Vom ersten Tage seines Aufenthalts in der Krim begann N. A. Golowkinsky mit der Erforschung des geologischen Baues der Halbinsel und der Bedingungen der Wasserführung der Ablagerungen. Im Verlauf seines zehnjährigen Aufenthaltes daselbst, vollführte er systematisch, während der ganzenwarmen uud hierzu geeigneten Jahreszeit, Excursionen, die mehrere Tage mid Wochen dauerten, und es gelaug ihm, auf diese Weise, die meisten Gegebden der Krim, sowohl des Berglaudes, als chauch des Steppengebietes, zu besuchen und geologisch und hydrologisch zu erforschen.
Man kann sicher behanpten, das es keinen zweiten besseren und eingehenderen Kenner der Natur des Landes gab, als Golowkinsky, es wird sich kaum ein Punkt finden lassen den er nicht besucht und in Augensehein genommen hätte.
Hierbei ist die Eigenartigkeit seiner Excursionen zu betonen, die ihren Erfolg bedingte. Ein vorzüglicher und uuermüdlicher Reiter, unternahm er sie nach allgemeinem Landesbrauch stets zu Pferde, zur Mittagsrast uud Nachtruhe eine Waldlichtung oder Wiese mit einem Quell oder gutem Wasser aufsuchend. Städte und Dörfer wurden stets gemieden. In Begleitung eines Tataren, späterhin auch seines Gehilfen, mit einigen Conserven und einem wollenen Zelte eigner Construction ausgerüstet, verbrachte er häufig mehrere Wochen unermüdlich beobachtend, geologische und HiydrogeologischE Daten sammelnd, im Gebirge. Als Resultat dieser Untersuchungen erschien eine ganze Reihe werthvoller Notizen uud Materialien von ihm, in den Rechenschaftsberichten an die Landschafts- verwaltung, als besondere Aufsätze und Referate herausgegeben, wie z. B.«Zur Geologie der Krim»(1883); «Hydrogeologischo Untersuchungen im Taurischen Gouvernement» (1892); «Kurze hydrogeologische Skizze des Dnjeprowskischen Kreises»(1892); «Die Quellen des Tschatyrdagh und Babugan» (1893); «Das Mammuth in Sotera» (1893) etc. Alle diese Arbeiten tragen den Stempel einer feineu Beobachtungsgabe, einer eigenartigen und selbstständigen Auffassung und Interpretation der Naturerscheinungen, unabhängig von der jeweilig herrschenden Doctrin; daraus erklärt sich auch das relativ langsame Eindringet! und Anerkanntwerden seiner Arbeiten iu wissenchaftlichen Kreisen.
Unter der bescheidenen Form von «Rechenschaftsberichten» werden in denselben häufig sehr wichtige thatsächliche Daten und neue origiuelle rein wissenschaftliche Anschauungen dargelegt. Es wird dieses durch die von ihm erreichten praktischen Resultate vollauf bekräftigt und illustrirt. Nach seinen Angaben wurden in verschiedenen Gegenden artesische Brunnen angelegt, viele Quellen drainirt und captirt, eine ganze Reihe neuer aufgesucht und durchweg mit glänzendem Ergebniss. Wir wollen nur der Bewässerung von Ssaki durch artesische Brunnen Erwähnung thun. Auf diese Resultate hin musste man N. A. Golowkinsky für den besten Kenner des Bewässerungswesens in ganz Russland gelten lassen.
Aber auch bei der Verfolgung rein praktischer Ziele, vergass N. A. Golowkinsky niemals ihre wissenschaftliche Grundlage und intcressirte sich, sie verständnissvoll in Wechselwirkung bringend, doch hauptsächlich für die theoretische Seite. Ihm verdanken wir das erste und einzige artesische Observatorium, welches auf seine Initiative hin und nach seiner Idee von der Taurischen Laudschaft errichtet wurde, desgleichen auch die Inangriffnahme eines für das ganze Land praktisch wichtigen Nivellements der artesischen Brunnen in der Krim; er unternahm ferner eine Reihe höchst interessanter und sinnreicher Versuche über die Niederschläge im Boden und richtete auf seinem Gute Kastel ein entsprechendes Observatorium ein. Diese einzig in ihrer Art dastehenden Beobachtungen sind voraussichtlich dazu angethan unsere Anschauungen über die Herkunft der Gewässer im Boden wesentlich zu modificiren.
Durch diese seine Thätigkeit hat N. A. Golowkinsky sich in den Herzen aller Schichten der Bevölkerung des ganzes Landes ein dankbares Gedächtniss gesiehert. Es ist selten einem Menschen, und zwar einem Gelehrten, vergönnt durch seine hervorhagenden Eigenschaften soviel Popularität, im besten Sinne des Wortes, so viel Liebe und Achtung im ganzen Lande zu gewinnen, wie Golowkinsky.
Wenn einerseits Nikolai Aleksejewitsch ein gewissenhafter Beobachter und bedeutender Gelehrter von scharfem, aualisyrendem und originellem Verstünde war, so hatte dieser Mann andrerseits eiue weiche, für alles Schöne empfängliche, der Begeisterung leicht zugängliche Künstlerseele. Dieser Schönheitssinn fand seinen Ausdruck in jenem vorziiglichen und reinen Styl, in welchem nicht blos seine rein wissenschaftlichen, sondern auch überhaupt alle seine Abhandlungen abgefasst sind, er offenbarte sich sowohl in der Vortragsweise vom Katheder, als auch in der gewöhnlichen Umgangssprache. Es genügt seine«Zwei Antrittsvorlesungen», im Jahre 1872 in der Neurussischen Universität gehalten, seine lithographirten Vorträge über Mineralogie, und besonders seine öffentliche Vorlesung«Gedanken über die Vergangenheit und die Zukunft unseres Planeten»(1875) zu lesen, um sich von der klaren Ausdrucksweise, der Kraft und der Beredtsamkeit seiner Vortragsweise, zu überzeugen.